Warum der Dienstwagen so beliebt bleibt - Capital.de

2022-07-09 03:27:40 By : Mr. David chen

Freiheit, Reisen, Abenteuer – lange Zeit ist es den großen Autokonzernen gelungen, diese Begriffe mit ihren Produkten zu verbinden. Autofahren, das macht schließlich Spaß, erst recht in Deutschland, wo noch nicht einmal ein allgemeines Tempolimit gilt. Bei BMW heißt es da auch gleich mal „Freude am Fahren“ am Ende jeder Werbung.

Die Liebe der Deutschen zu ihren Autos führte lange dazu, dass Dienstwagen für Unternehmen das Lockmittel der Wahl waren, um neue Fachkräfte zu gewinnen. Dabei macht Autofahren in der Realität oft deutlich weniger Spaß als in den Filmchen von Mercedes, Volkswagen und Co. Statt durch atemberaubende Landschaften geht es zum nächsten Supermarkt, statt mit dem Surfbrett auf dem Dach an den Strand geht es zu den Großeltern – und mit Pech steckt man dann auch noch im Stau. 

Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Deutschen für ein allgemeines Tempolimit ist. Immer mehr zieht es zudem in die großen Städte, wo sie oft gar kein Auto brauchen. Die Autoverrücktheit scheint sich langsam dem Ende zuzuneigen. Der IT-Branchenverband Bitkom kam 2020 in einer Umfrage zu dem Schluss, dass der Dienstwagen lediglich bei zwölf Prozent der Unternehmen noch als Anreiz eingesetzt werde. Stattdessen versuchten Unternehmen, Bewerber mithilfe von Diensthandys neuester Generation, Jobtickets oder großzügiger Gleitzeiten zu ködern.

Der eigene Firmenwagen, er scheint an Bedeutung einzubüßen. Angesichts der Tatsache, dass gerade jüngere Generationen unter den Arbeitnehmern keinen großen Wert auf das eigene Fahrzeug legen, wäre das auch nicht überraschend. Stirbt der Dienstwagen in Deutschland also einen langsamen Tod?

Keinesfalls, meint zumindest Marc-Oliver Prinzing. Er ist geschäftsführender Gesellschafter von Carmacon, einer Beratungsgesellschaft für Mobilitäts- und Fuhrparkmanagement  aus Neidlingen in der Nähe von Stuttgart. „In der relevanten Flotte haben die Neuzulassungen zwischen 2005 und 2019 um 45 Prozent zugenommen“, erklärt Prinzing, der auch Vorsitzender des Bundesverbandes Betriebliche Mobilität ist. „Ein Rückgang in der Beliebtheit von Dienstwagen sieht anders aus.“ Die „relevante Flotte“ beschreibt gewerbliche Neuzulassungen ohne solche von Fahrzeugbauern, -händlern und Autovermietern, also ausschließlich Firmenwagen, die nicht für Weiterkauf, Vermietung oder ähnliches gedacht sind.

Wie aber passt das zusammen? Ein Grund dürfte sein, dass der Dienstwagen in bestimmten Branchen nach wie vor eine hohe Bedeutung hat. Darauf deutet zumindest der Firmenwagenmonitor der Unternehmensberatung Compensation Partner hin. Auch diese Studie kommt zu dem Schluss, dass branchenübergreifend lediglich gut zwölf Prozent der Mitarbeiter einen Dienstwagen nutzen. Aber es gibt einige Ausreißer nach oben. Im Großhandel etwa liegt der Wert bei 25,7 Prozent, auch in der Konsumgüterbranche, auf dem Bau und bei Computerhardwareherstellern werden die 20 Prozent gerissen. Alles Branchen, in denen der Kontakt zum Kunden meist vor Ort stattfinden muss oder der Arbeitsplatz grundsätzlich außerhalb des Firmensitzes liegt. Das bestätigt auch der Blick auf die Dienstwagenverteilung nach Berufsgruppen, hier sind die Vertriebler klare Spitzenreiter.

Prinzing sieht zwei Themen, die die Nachfrage nach Dienstwagen stabil halten: „Zum einen haben wir einen Fachkräftemangel, die Unternehmen werden den Mitarbeitern etwas bieten müssen“, sagt er. „Zum anderen steigen die Mobilitätskosten, da steigt die Attraktivität eines Dienstwagens als Teil des Gehaltes.“ 

Was nicht heißt, dass sich bei der Art der Dienstwagen nichts ändern würde. Die Nachfrage nach alternativen Antrieben steigt auch laut dem Mobilitätsverband. Das habe zum einen etwas mit dem wachsenden Wunsch nach Nachhaltigkeit zu tun. Zum anderen habe es knallharte finanzielle Gründe, meint Prinzing. „Ein E-Auto als Firmenwagen bringt steuerliche Vorteile mit sich“, sagt er. Die Unternehmen bekommen genauso wie Privatkäufer die staatliche Förderung für E-Autos, die momentan bei 9.000 Euro liegt. Für den Arbeitnehmer lohnt sich das elektrisch angetriebene Fahrzeug ebenfalls steuerlich, die Last sinkt sowohl bei der beruflichen als auch bei der privaten Nutzung.

Und natürlich schwenkt so manche Firma grundsätzlich um. Viele Privilegien für das Dienstauto gelten mittlerweile auch für das Dienstfahrrad. Und Angebote, die gar nicht mehr auf eine Mobilitätsform beschränkt sind, werden auch beliebter. „Viele Unternehmen bieten mittlerweile Mobilitätsbudgets an“, sagt Axel Schäfer, Geschäftsführer beim Bundesverband Betriebliche Mobilität. Statt einem Dienstwagen erhalten die Mitarbeiter dann ein entsprechendes Budget, das sie für alternative Verkehrsmittel einsetzen können, etwa die Bahn, aber auch für Mietwagen. Eine Flexibilität, die durchaus praktikabel sein kann, gerade für Außendienstmitarbeiter. „So können sie mit dem Zug bis nahe an den Einsatzort fahren und absolvieren die letzten Kilometer per Mietwagen“, sagt Schäfer.

Große Firmen wie SAP bieten dies längst als Alternative zum Dienstwagen an, auch Bosch hat ein Mobilitätsbudget für seine Mitarbeiter. Der Automobilzulieferer bietet seinen Angestellten zudem Anreize, um sich für ein günstiges, emissionsarmes Auto zu entscheiden. Wer ein Fahrzeug mit Leasingrate unterhalb des Mobilitätsbudgets hat, bekommt den übrigen Betrag ausgezahlt. Mitarbeiter mit Verbrenner müssen hingegen die Treibstoffkosten zum Teil sogar selbst übernehmen. „Aber die Veränderung ist ein mittel- bis langfristiger Prozess, da wird und muss viel passieren“, mahnt Schäfer. „Zum Beispiel sind die öffentlichen, regionalen Verkehrsangebote derzeit nur bedingt B2B-tauglich.“

All diese Alternativen mögen reizvoll sein, verdrängen werden sie den Dienstwagen wohl nicht. Das zeigen auch Zahlen des Jobportals Indeed. 30.000 der Jobangebote, die dort pro Monat erscheinen, erwähnen Dienstwagen in irgendeiner Form. Das ist Anteil von 3,4 Prozent, eine Verdopplung innerhalb von drei Jahren.

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