Wakeboard-Europameister: Der Mad Max von Duisburg - WELT

2022-06-24 21:25:23 By : Ms. Enzu Jiang

E in leichter Wind weht, Wolken ziehen auf. An der Wasserski-Anlage hat sich eine Warteschlange gebildet. Auch Profis müssen sich hier anstellen. Max Milde blickt auf die Tegge, den kleinen Nachbarn des großen Toeppersees in Duisburg. Dann ist der 18-Jährige an der Reihe. Mit beiden Händen umklammert er einen dreieckigen Griff, an dem ein langes Seil befestigt ist. Einen Augenblick später strafft sich die Leine, ein Ruck – und Max Milde hebt ab. Nach kurzem Flug setzt er mit seinem Wakeboard auf dem Wasser auf. Dann beginnt die wilde Fahrt. „Schon vor dem Start habe ich mein Programm im Kopf. Ich plane genau, wo ich welche Sprünge mache“, sagt er später beim Gespräch am Ufer.

Max Milde ist in den vergangenen Jahren mit dem Wakeboard an die Weltspitze gefahren. Er war schon Deutscher Meister in verschiedenen Disziplinen und Altersklassen. 2019 wurde der Duisburger Sportler dann im polnischen Stawiki Europameister in der Königsklasse „Open Men“. Bei der WM 2019 in Buenos Aires wurde er Vize-Weltmeister in der Kategorie „Junior Men“, sozusagen der „U19“.

In diesem Jahr wollte Max Milde in Thailand noch mehr erreichen und bei der Weltmeisterschaft den Titel holen. Dann kam Corona, der Wettbewerb wurde abgesagt. „Dass alle Veranstaltungen ausfallen, ist natürlich hart“, sagt Milde, „aber ich nutze die Zeit fürs Training, momentan fahre ich von früh bis spät Wakeboard.“

Anzutreffen ist er nicht nur am Toeppersee in Duisburg. Er trainiert auch im „Dock5“ in Düren oder auf der Wasserski-Anlage in Langenfeld. 70 solcher Wasserski- und Wakeboard-Anlagen gibt es in Deutschland. Sie funktionieren ähnlich wie ein Skilift. Allerdings geht es nicht darum, einen Sportler vom Tal auf den Berg zu bringen – sondern waagerecht übers Wasser zu ziehen.

Wegen Extremsportler Dane Jackson ist der Salto del Maule jetzt der zweithöchste ja befahrene Wasserfall der Welt.

Über mehrere Masten ist ein starkes Seil gespannt, das von einem Motor in Bewegung gesetzt wird. Von diesem Hauptseil hängen einzelne Seile herab. Die Wasserskifahrer greifen danach, halten sich fest – und los geht’s: In Duisburg sausen die neoprengekleideten Sportler mit 30 Stundenkilometern über einen 760 Meter langen Parcours, unterwegs passieren sie eine Reihe von Hindernissen, sogenannten „Obstacles“. Eine Runde dauert etwa 90 Sekunden. Wenn der Motor auf Vollgas läuft, sind sogar 60 Stundenkilometer möglich.

Ursprünglich haben sich Wakeboarder von einem Motorboot ziehen lassen. Daher stammt auch der Name: Das englische Wort „wake“ bedeutet „Kielwasser“. Die Wurzeln des Wakeboardens gehen zurück in die 80er-Jahre. Surfer, die auf Wellen warteten, ließen sich von Motorbooten ziehen.

Als Max Milde drei Jahre alt war, kam er erstmals mit Wasserski in Kontakt. Sein Onkel Michael König war damals der Betreiber der Anlage am Toeppersee, und Max’ Vater Peter war begeisterter Wasserskifahrer. „Ich bin praktisch auf der Anlage aufgewachsen“, erzählt Max. Höhepunkte seien für ihn immer die gemeinsamen Fahrten mit dem Vater gewesen. Um mit dem Knirps über den See zu sausen, nutzte Peter Milde ein „Kneeboard“, eine Art Surfbrett, auf dem er und sein Sohn kniend Platz nahmen. „Das ist eine meiner ersten Kindheitserinnerungen.“

Mit fünf stand Max Milde dann zum ersten Mal allein auf Wasserskiern. Das wurde ihm aber bald zu langweilig. Zwei Jahre später wechselte er daher aufs Wakeboard. „Beim Wasserski-Fahren steht meist die Geschwindigkeit im Vordergrund. Beim Wakeboarden hingegen ist Kreativität gefragt“, sagt Milde.

Mit zehn Jahren, 2012, startete der junge Sportler bei seinem ersten Wettkampf. In Brühl fand die NRW-Meisterschaft statt, Milde und seine Eltern fuhren spontan hin. Der Junge startete ohne große Erwartungen – und siegte auf Anhieb. „Ich dachte: Krass! Jetzt bin ich der Beste in ganz Nordrhein-Westfalen. Spätestens da hatte mich der Ehrgeiz gepackt“, sagt er.

Max Milde geht stets ans Limit. In der Wakeboard-Szene, in der Familie und im Freundeskreis nennen sie ihn „Mad Max“. Dass sein Sport nicht ungefährlich ist, sieht er als eine Art Berufsrisiko. „Irgendwann passiert immer was, es ist nur eine Frage der Zeit“, sagt er, „aber das ist ja bei jeder Extremsportart so.“ 2017 war der Duisburger wegen eines Wettkampfs nach Ägypten gereist.

Der als „Fliegender Mann“ bekannte Franky Zapata ist bei seinem Versuch, über den Ärmelkanal zu fliegen, ins Meer gestürzt. Zu den Gründen will sich der Franzose in einer Pressekonferenz äußern.

Bei der Vorbereitung in der Küstenstadt El Gouna erwischte es ihn dann: An der Wasserski-Anlage sprang er mit seinem Board auf ein Hindernis, doch das „Obstacle“ war zu trocken – das Brett bremste abrupt, Max Milde schlug mit Kopf und Helm hart gegen eine Kante. Ohnmächtig trieb er im Wasser, der Auftrieb seiner Prallschutzweste hielt ihn an der Oberfläche, Begleiter zogen ihn an Land. „Ich hatte Riesenglück“, sagt Milde. Die Diagnose: leichte Gehirnerschütterung, Platzwunde, Schock. „Das hätte aber auch ganz anders ausgehen können.“

Erfahrene Wakeboarder zeigen auf dem Wasser waghalsige Stunts: Saltos, Schrauben und Drehungen um die eigene Achse, Wasser spritzt auf, wenn sie sich in die Kurve legen. „Voraussetzungen dafür sind Ausdauer, Kraft und mentale Stärke“, sagt Milde. „Der Sport ist schon sehr anstrengend, die Muskeln und die Gelenke werden enorm strapaziert. Dennoch: Ich liebe das Wakeboarden – es ist mein Leben.“

Immer wieder wagt sich Milde an besonders schwierige Tricks heran. Videos davon veröffentlicht er im Internet. Zuletzt beeindruckte er etwa mit einem „Raley Backside 720“, einer zweifachen Drehung gegen den Uhrzeigersinn um die eigene Achse, bei der der Körper fast waagerecht in der Luft liegt. Oder mit einem „Frontmobe Rewind Backside 180“ – einer schwindelerregenden Kombi aus Vor-, Rückwärts- und Schraubbewegungen. „Beim Angucken ist es hilfreich, die Zeitlupe einzuschalten“, sagt er. Denn Wakeboarden ist ein sehr schneller Sport.

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Max Milde steht trotz aller Erfolge noch am Beginn seiner Karriere. Gerade hat er sein Abi gemacht und einen Vertrag bei der Bundeswehr unterschrieben. „Als Sportsoldat kann ich mich ab Herbst ganz aufs Wakeboarden konzentrieren“, sagt er. Und dann ist da natürlich noch die große Hoffnung, dass Wakeboarden irgendwann olympisch wird. Seit einigen Jahren steht Wakeboarden auf der Liste der sogenannten „temporär olympischen“ Sportarten, die Gastgeberstädte vorübergehend ins Programm aufnehmen können. Die Organisationskomitees von Tokio 2020 und Paris 2024 waren daran allerdings nicht interessiert. Jetzt setzt Max Milde ganz auf Olympia 2028 in Los Angeles.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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