Gründen mit Speed: Mit dem Pisten-Brettl auf die Straße - Die Gründer - FAZ

2022-06-10 21:27:46 By : Mr. Jason zhang

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Melanie Ruff Bild: Christian Geinitz

Wenn aus Snowboards Longboards werden: Zwei Wienerinnen setzen auf eine neue Skate-Variante - mit früheren Häftlingen als Mitarbeitern.

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F rüher wurden in der schweren Presse Äpfel und Birnen zerquetscht. „Die Presse stammt aus dem Mostviertel in Niederösterreich“, sagt Melanie Ruff und dreht an einer der Spindeln. Statt zum Herstellen von Obstwein dient die Maschine heute dazu, trendige Sportgeräte zu produzieren, so genannte Longboards.

Diese sehen wie Skateboards aus, sind aber länger - und erfreuen sich unter Jugendlichen immer größerer Beliebtheit. Melanie Ruff und ihre Geschäftspartnerin Simone Melda haben den Trend rechtzeitig erkannt und in Wien eine Manufaktur für maßgeschneiderte Longboards gegründet. Ruffboards, „rauhe Bretter“, heißt das Unternehmen in Anlehnung an Melanies Nachnamen. Die beiden jungen Frauen gehen eigene Wege, nicht nur mit dem Produkt, sondern auch in der Herstellung. Sie sammeln ausrangierte Snowboards ein, fräsen sie zurecht, beschichten und dekorieren sie neu, montieren Achsen und Rollen und verkaufen das Ergebnis dann als Longboards.

Im Jahr 2014, nach der Gründung des Unternehmens, wurden sie 100 Bretter los, im laufenden Jahr sollen es 800 und 2017 dann 1500 Stück werden. „Dann machen wir Gewinn“, kalkuliert Ruff. Den Umsatz verschweigt sie, aber bei einem Ladenpreis von 250 bis 350 Euro sind es je tausend Longboards rund 300 000 Euro. Etwa genauso viel Geld hat die GmbH bisher an Förderung erhalten.

Die Produkte verkauft Ruffboards direkt: aus dem Souterraingeschäft neben der Werkstatt im 18. Wiener Gemeindebezirk heraus, über das Internet sowie auf sogenannten Events, den Wettkämpfen und Treffen der internationalen Surf- und Board-Gemeinde. Der Preis für die schlanken Holzflitzer orientiert sich an den besten Modellen der Marktführer, obgleich die Ruffboards in dieser Liga noch nicht mitspielen können. „Aber dafür sind es Einzelstücke, und sie sind so fair produziert wie möglich“, sagt die Namensgeberin.

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„Fair“ sind in ihren Augen das Recycling sowie der Einsatz umweltverträglicher Stoffe, etwa abbaubarer Harze: „Für unsere Brettl muss kein Baum sterben“, versichert Ruff. Allerdings stammen die verarbeiteten Snowboards ursprünglich aus Asien, wo man die Arbeits- und Umweltbedingungen nicht kennt, wie Ruff zugibt. Auch die Achsen und Rollen kommen weitgehend aus asiatischer Herstellung.

„Fair“ bedeutet für die Vierunddreißigjährige aber auch, dass das Unternehmen mit dem Verein Neustart zur Integration von Haftentlassenen zusammenarbeitet. Einen der ehemaligen Häftlinge haben Ruff und Melda bereits in der Produktion fest angestellt, zwei weitere sollen von April an halbtags im Verkauf helfen.

Ihr soziales Engagement führt Ruff, die ursprünglich Bauingenieurwesen studierte, auch auf ihre Zeit an der Universität zurück. Ihr zweites Studienfach Geschichte schloss sie mit einer medizinhistorischen Promotion über die Gesichtschirurgie im Ersten Weltkrieg ab.

„Ich habe mich immer für Andersartige und Ausgegrenzte wie diese Verwundeten interessiert und dafür, wie die Gesellschaft mit ihnen umgeht und warum.“ Die ehemaligen Gefangenen seien ebenfalls eine Randgruppe und hätten eine zweite Chance verdient, findet sie. Am Ende des Studiums war es, dass Ruff und Melda auf ihre Geschäftsidee kamen. Während eines Urlaubs in Florida wurde ihnen klar, wie das Skateboard entstanden war: indem Wellenreiter Rollen unter ihre Surfbretter geschraubt und an Land gegangen waren - wie einst die Amphibien.

Tatsächlich waren diese ersten Rollbretter keine Skate-, sondern Longboards, behäbige Planken mit großem Achsabstand, die sich bis heute hervorragend dafür eignen, ausgedehnte Touren über Promenaden oder Boulevards zu unternehmen, zu „cruisen“, wie die Sportler das nennen. Erst später entwickelten sich daraus die wendigen Geschwister für Sprünge und andere Kunststücke, die Skateboards.

Heute orientiert sich die Szene wieder Richtung Longboards. Auch weil es inzwischen für fast jede Anwendung eigene Formen gibt. Die Wiener etwa bieten das Stadt- und Slalommodell „Berti“ an. Es ist so kurz, dass es in den Rucksack passt und in der U-Bahn nicht stört. Die „Pummerin“ indes, benannt nach einer Glocke des Stephansdoms, misst einen Meter in der Länge und ist mit großen weichen Rollen ausgestattet, um möglichst schnell auf ebenen Strecken oder am Strand unterwegs zu sein.

Anders als in den Anfängen nutzt heute fast niemand mehr Surfbretter auf der Straße. Denn die Füllschäume halten den Belastungen nicht lange stand. In Florida besannen sich die beiden Freundinnen stattdessen auf Snowboards. „Schließlich kommen wir aus einer Wintersportnation“, sagt Ruff. Sie selbst steigt lieber im Sommer auf die Bretter, wenn es warm ist. „Dass ich Snowboards zerschneide, ist meine späte Rache für die Kälte“, sagt sie mit einem Grinsen.

Die Technik der Wiederverwertung haben die Wienerinnen nicht erfunden, aber verfeinert und individualisiert. Auf der Ruffboard-Website können Kunden Fotos ihrer alten Snowboards hochladen und so konfigurieren, wie ihr Longboard später aussehen soll.

Die meisten Rohlinge allerdings sammelt der Betrieb selbst ein. Nur selten in Privathaushalten, sondern vor allem bei Skiverleihern. Die Konkurrenz ist groß, seit Recyclingunternehmen aus der Tschechischen Republik den Ausrüstern alle Alt- und Schrottwaren auf einmal abnehmen. „Wir hingegen wollen nur die Snowboards, am besten ohne Bindung.“ sagt Ruff. „Manchem Verleih ist das zu mühsam.“ Derzeit bauen die beiden Österreicherinnen einen weiteren Geschäftszweig auf. Sie produzieren Miniserien für Werbekunden und Preisausschreiben. Red Bull hat bei ihnen schon Longboards mit eigenem Logo bestellt, desgleichen Coca-Cola. Der jüngste Auftrag stammt von Fanta, zehn leuchtend orangefarbene Bretter mit blauem Schriftzug. „Wer Leute erreichen will, die Actionsport betreiben, kommt um Longboards nicht herum“, weiß Ruff. „In dem Geschäft schlummert noch viel Potential für uns.“

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Mit dem Pisten-Brettl auf die Straße

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