Jörg Singer, Helgolands Bürgermeister, und Heiner Eilers, Kapitän bei der Flensburger FRS-Helgoline, mögen sich - und sie attestieren sich gegenseitige Coolness. Aber an diesem Dienstag schenkten sie sich keinen Zentimeter. Bei der "1. Lange Anna-Challenge" Elektro-Surfbrett gegen Hochgeschwindigkeitskatamaran hatte beide der Ehrgeiz gepackt - gerade auch um auf die Meeresvermüllung aufmerksam zu machen. So eine Regatta hat es nie zuvor gegeben.
Mit mehr als 50 Stundenkilometer waren beide mit ihren Wasserfahrzeuge zwischen Insel und Düne unterwegs. Leichter Westwind von zwei bis drei Windstärken und wenig Welle sorgten für gute Bedingungen - auch für den surfenden Bürgermeister auf seinem Hightech-Board, das er über eine am rechten Handgelenk fixierte Pistole per Bluetooth steuerte.
Beide hatten vorher geübt. Jörg Singer absolvierte 27 Trainingseinheiten auf seinem Elektro-Surfboard mit Jet-Antrieb. Es fährt maximal 55 Stundenkilometer. Der "Halunder Jet" schafft zwar zehn Stundenkilometer mehr, muss aber auch erst auf Touren gebracht werden.
"Wir haben am Montag geübt, wie wir die Maschine überlisten können", verriet Heiner Eilers mit einem dicken Grinsen. Es hat geklappt - und so war der nach Start noch vorne liegende Bürgermeister schnell überholt und der Katamaran fuhr nach 1 Minute und 18 Sekunden über die Ziellinie. "Wir konnten auf der kurzen Strecke richtig Tour machen", stand dem Kapitän die Freude im Gesicht.
Und Jörg Singer gab den strahlenden Verlierer. "Der Katamaran ist viel zu schnell gestartet und kam dann gleich mit Schwung", lobte er und sagte in Richtung Kapitän Eilers: "Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich dich schlage. Aber ich freue jetzt mich über das Rennen und darauf, wenn wir wieder ein neues Projekt miteinander machen."
Tim Kunstmann, Geschäftsführer der FRS-Helgoline war natürlich von der Siegfahrt des Katamarans begeistert, zeigte sich aber voller Hochachtung für die Leistung des Bürgermeisters: "Das war echt spannend und ich habe an Bord unseres ‘Halunder Jets' ehrlich mitgefiebert, dass Jörg Singer bloß nicht ins Wasser fälllt..." Bei der Siegerehrung überreichte er dem sportlichen Insel-Bürgermeister die "Helgoländer Lahmschnecke 2022", ein Plüschtier mit Plakette. Für den Kapitän gab es nur einen Piccolo Prosecco.
Bei dieser "Langen Anna-Challenge" an diesem grauen, aber warmen Tag gab es letztlich nur Gewinner. Das betonten alle Beteiligten ausdrücklich. Denn langfristig profitiert die Umwelt - durch Aufmerksamkeit und Sensibilisierung und durch das Wegfischen von gefährlichem Meeresmüll.
Für den guten Zweck
Bürgermeister Jörg Singer hatte mit der Reederei FRS Helgoline explizit für diesen guten Zweck gewettet. Dabei ging es um die Anschaffung von Meeresmüllschluckern, wie sie bereites seit kurzem probe- und leihweise im Einsatz sind. Niedersachsen Ports (NPorts) stellte das Gerät zur Verfügung, das im Südhafen schon Plastik herausfischt.
Durch die "Lange Anna"-Challenge wollten beide Kontrahenten Kooperationen für das Projekt "Plastikfreie Häfen" fördern. Gleichzeitig ging es darum, mit vielen Partnern etwas Gutes für die Umwelt zu tun - und um mehr Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für die globale Problematik Meeresmüll. Ziel bliebt Meeresmülleimer in allen fünf Insel-Häfen zu installieren.
Die Idee zur Beseitigung von Müll in den Ozeanen durch "Seabin"-Meeresmülleimer kam den Australiern Andrew Turton und Pete Ceglinski im Jahr 2013. Der "Seabin" ist eine Treibgut-Sammel-Einrichtung, die das Wasser an der Oberfläche durch eine Tauchpumpe ansaugt. Diese kann eine Förderleistung von bis zu 25 000 Liter pro Stunde haben. Das Wasser fließt durch einen Auffangbeutel und wird anschließend wieder in den Hafen gepumpt. Der aufgefangene Unrat bleibt im Auffangbeutel zurück, und kann ordnungsgemäß entsorgt werden.
Partner des Projektes war unter anderem das Alfred-Wegener-Institut auf Helgoland, das auf der Insel das Schülerlabor "Opensea" betreibt. Die Idee entwickelte der Rotary-Club Helgoland.
Auf Helgoland kam diese waghalsige Aktion sehr gut an. "Es ist toll, dass Jörg Singer sich das getraut und gemacht hat", meinte die betagte Insulanerin Eschi Waltemath.
Viele Schaulustige hatten das rasante Spektakel entweder von Land aus verfolgt oder fuhren auch den mit Helgoländer Farben grün-rot-weiß geschmückten Börtebooten oder auf dem Katamaram oder Seebäderschiff mit.
Als sicheres Geleitboot war der Seenotrettungskreuzer "Hermann Marwede" an diesem Nachmittag im Einsatz.
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