Jungfrau Zeitung - Der Mond, die Nasa, das Surfen

2022-03-17 08:56:45 By : Mr. Jaron Tang

«Was machen die denn da?», fragte sich ein verwirrter James Cook an einem warmen Januartag im Jahr 1778. Der britische Entdecker beobachtete die einheimische Bevölkerung auf den Sandwich Inseln in Hawaii bei einem seltsamen Treiben; die Menschen sausten auf hölzernen Planken übers Wasser. Seit diesem schicksalhaften Tag hat sich der Surfsport immens verändert und weiterentwickelt. Heutzutage werden die meisten Surfboards beispielsweise aus Kunststoff hergestellt. Die Betreiber von «Sörfbrätt» sind anders, sie kehren sozusagen zu den Wurzeln zurück; in ihrer kleinen Werkstatt am Thunersee arbeiten sie ausschliesslich mit Holz.

Ich stehe im gemütlichen Surfshop von Sascha Wyss aus Hilterfingen und Reto Brechbühl aus Oberhofen, im Hinterhof befindet sich ihre Werkstatt – die «Shaperia». Ein wohltuender Geruch aus Boardwachs und Duftstäbchen liegt in der Luft. Neben dem Eingang entdecke ich mehrere ihrer Schmuckstücke – Surfbretter aus Holz, in den verschiedensten Formen und Farben. «Für alles, was auf dem Wasser Spass macht, bauen wir ein Board», erklärt mir Sascha mit einem breiten Lächeln. «Ein wichtiger Teil sind die individuellen Kundenwünsche, denn es gibt ja zahlreiche verschiedene Wassersportarten, zudem ist jeder und jede auf einem anderen Niveau».

Sie stellen Surfboards her, SUPs, Wakesurfs, Wakeboards, Wakeskates und Skimboards – alle werden in Handarbeit gefertigt. «Das Balsaholz (siehe Kasten) beziehen wir normalerweise aus Paraguay. Wegen der aktuellen Lage sind wir auf anderes Holz aus Portugal ausgewichen». Positiv seien die kürzeren Transportwege, was auch der Umwelt zuträglich sei.

Die sehr leichte und einfach zu bearbeitende Holzart fand selbst in der Raumfahrt Anwendung. Die Nasa nutzte das Tropenholz in den frühen 1960er-Jahren, als sie mehrere unbemannte Raumsonden zum Mond schickte. Die sogenannten «Ranger»-Sonden sollten vor dem Aufprall eine Instrumentenkapsel ausstossen, die möglichst sanft auf der Mondoberfläche aufkommen sollte. Daher wurde ein Gehäuse aus dem stabilen und leichten Balsaholz konstruiert, dieses sollte die darin enthaltenen Instrumente vor dem Aufprall schützen. Die Mission scheiterte jedoch: Eine der insgesamt drei Sonden flog am Mond vorbei, zu den anderen brach der Kontakt ab.

«Spannend wird es, wenn ein Mann oder eine Frau zu uns kommt und wir zusammen herausfinden, was diese Person genau will». Von Shortboards – kurzen Profisurfbrettern – bis zu Einsteigermodellen sei alles dabei. «Das ist ein interessanter Teil unseres Schaffens – auf Menschen einzugehen und dann zu erfahren, wie gut sich unser Brett anfühlt, wenn sie damit übers Wasser gleiten», erklärt mir Sascha.

Für mein erstes Board brauchte ich ewig! Und eine Schönheit war es auch nicht

«Auch die Bemalung gehört dazu», führt Reto aus. «Das fängt beim Holz an. Allein die verschiedenen Maserungen kann man farblich einfliessen lassen und so ein schönes Muster herausholen». Wem das nicht reicht, der könne auch Ausdrucke auf die Bretter laminieren lassen. «Ganz wild war es, als ein Kunde mit einer grossflächigen Folie vorbeikam und meinte – das will ich auf meinem Brett» (lacht). Grundsätzlich sei alles möglich, jedenfalls habe es bis heute noch keinen Wunsch gegeben, den sie nicht hätten erfüllen können.

Sascha erinnert sich an sein erstes Brett, das er selbst gebaut hat: «Boah, das war spannend – ich habe mir ein SUP-Board zusammengewerkelt, mit Balsaholz aus dem Baumarkt. Ich kaufte mir ein paar passende Latten, etwa hundertfünfzig Stück, und klebte die zusammen». Wie lange das gedauert habe, will ich vom passionierten Surfer wissen. «Ewig!», grinst er mir entgegen. «Das dauerte drei, vier Monate. Und eine Schönheit war es auch nicht – aber hei, es schwamm, und das war die Hauptsache». Das war der Startschuss ihrer kleinen Surfbrettmanufaktur. «Irgendwann kam dann ein Surfbrett dazu, dann ein weiteres, und irgendwann kamen Leute auf uns zu und wollten auch eines». Ein wichtiger Teil sei zudem auch der «RiverSurfJam» in Thun gewesen. «Dort sind wir ebenfalls vor Ort, und so kamen wir mit vielen Surfbegeisterten ins Gespräch». Früher lagerten ihre Surfbretter in einem alten Weinkeller, die Sörfbrätt-Bekleidung hätten sie in einer Waschküche aufbewahrt. «Dann haben wir diese Location in Hilterfingen gefunden, das passte einfach».

Surfen habe sie bereits als Kinder gepackt, schwärmt Reto. «Ich stand schon mit zehn auf einem Skateboard, und als wir Ferien am Meer machten, wollte ich wissen, wie es ist, mit einem Brett übers Wasser zu gleiten». Der einzige Wermutstropfen sei, dass man in der Schweiz relativ wenig Meer habe. «Aber es gibt den Thuner- und Brienzersee. Da kann man immerhin mit einem entsprechenden Boot eine künstliche Welle erschaffen, das ist auch toll. Und ja, irgendwann kann man dann wieder uneingeschränkt ans Meer – ich freue mich darauf». Auch Sascha ist seit Kindesbeinen ein begeisterter Wellenreiter. «Das hat mit Wakeboarden angefangen, dann kam irgendwann Hawaii – dort habe ich die Liebe zum Surfen entdeckt. Es war auch der Ort, an dem ich das erste Mal konkret darüber nachgedacht habe, selber Bretter zu bauen».

Die Lieferfrist für ein Board von den «Sörfbrätt»-Dudes dauert rund drei Wochen. «Wir arbeiten beide nebenher – ich in einem 80 Prozent Pensum – und widmen uns in unseren freien Stunden den Surfbrettern», erzählt mir Sascha. Wasser sei allgemein ihr Element, fügen die beiden lächelnd an. Was das Surfen betrifft – für viele Menschen ist es mehr als ein Hobby, es kann ein Lebensstil sein.

Ob ich diesen «Hey-Dude-Lebensstil» pflege, das kann ich nicht wirklich beurteilen

«Das ist ein interessanter Punkt. Ich denke, man geht mit einer gewissen Einstellung durchs Leben, und da gehört das Surfen dazu. Aber ob ich diesen «Hey-Dude-Lebensstil» pflege, das kann ich nicht wirklich beurteilen», sinniert Reto mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Vielleicht lebt man diese Symbiose ganz einfach, ohne dass man sich dessen bewusst ist, frage ich in die Runde. Sascha fügt hinzu: «Das denke ich auch. Du findest das Surfen, indem du auf eine ganz gewisse Art durchs Leben gehst». Ihre Leidenschaft fürs Surfen spiegelt sich in ihren Boards wider. «Einen grossen Unterschied zwischen Holz- und Kunststoffbrettern spürt man meiner Meinung nach nicht. Klar, wenn man den legendären Kelly Slater auf ein Holzboard stellen würde und er ein Urteil abgeben müsste, dann würde er sicherlich einen Unterschied feststellen». Es sei auch nicht ihr Anspruch, Quiksilver anzugreifen, stellt Sascha klar. «Wir bauen gerne Bretter, das ist mein Ding. Und wenn ich jemanden auf dem Thunersee beobachte, der mit einem Strahlen im Gesicht auf einem Holzbrett steht, dann bin ich zufrieden. Das ist mein Ansporn». Nach zwei Sekunden Pause ergänzt er: «Okay, es wäre schon cool, in Hossegor oder so einen Surfer zu sehen, mit einem unserer Bretter».