Ella Schön – drei Episoden 2022 - Kritik zum Film - Tittelbach.tv

2022-06-24 21:23:24 By : Ms. Hathaway Wang

Moovie GmbH – Jan Ehlert, Sarah Kirkegaard

filmpool fiction – Iris Kiefer

Zieglerfilm Baden-Baden – Marc Müller-Kaldenberg

TV60 Filmproduktion – Marcus Roth, Sven Burgemeister

Rainer Tittelbach „Ella Schön“ (Dreamtool Entertainment) geht in die letzte Runde. Da ist noch mal viel los auf Fischland, vor allem aber bei der Titelfigur. Denn Ella ist mehr denn je bereit, in ihrem Leben etwas zu verändern und mehr zu wagen als bisher. Das fängt in „Das Glück der Erde“ mit den schönen kleinen Dingen des Lebens an, denen sie bisher so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Außerdem versucht sie, mit ihren Ängsten umzugehen. In „Freischwimmer“ wagt sie sich ins Wasser, ja sogar auf ein Surfbrett, und in „Seitensprünge“ nimmt sie noch einmal ihre Abschlussprüfung als Anwältin in Angriff. Es wird so schnell sicherlich keine ebenso gute ZDF-Sonntagsfilmreihe wie diese geben. Die Liste, was „Ella Schön“ anders und vor allem besser macht als vergleichbare Helferinnen-Freundschafts-Familien-Geschichten in Serie, ist lang. Dazu gehören die Protagonisten, die Schauspieler, die Dialoge, die nicht nur passgenau die Charaktere treffen, sondern häufig zudem höchst amüsant sind. Und dann ist da natürlich noch der Witz, der sich durch das Asperger-Syndrom ergibt, der aber nie auf Kosten der Heldin geht. Dafür sorgt allein schon Annette Frier. Die Autoren geben sicher keine klinisch korrekte Variante wieder, dafür sensibilisieren sie klug und konsequent für dieses „Anderssein“. Das Ende ist emotional, ja, aber auch sachlich wie die Titelfigur.

Sterne-Bewertumg im Detail: "Das Glück der Erde" bekommt 4,5 Sterne, "Freischwimmer" fette 5 Sterne und "Seitensprünge" hauchzarte  5 Sterne.

Foto: ZDF / Rudolf Wernicke Noch einmal besuchen Ella (Annette Frier) und Christina (Julia Richter) Orte auf Fischland, die für ihre Freundschaft prägend waren. Denn die Frau mit dem Asperger-Syndrom drängt es – ähnlich wie ihre Darstellerin – zu neuen Herausforderungen.

Noch einmal besuchen Ella (Annette Frier) und Christina (Julia Richter) Orte auf Fischland, die für ihre Freundschaft prägend waren. Denn die Frau mit dem Asperger-Syndrom drängt es – ähnlich wie ihre Darstellerin – zu neuen Herausforderungen.

Wer ist mit wem zusammen, wer nicht mehr oder vielleicht ja doch noch? Ella (Annette Frier) und Christina (Julia Richter) müssen sich und ihre Beziehungen neu sortieren. Dabei geraten sie immer mal wieder aneinander, weil jeder der beiden glaubt, dem anderen Liebesratschläge geben zu müssen. Ella lotet nach der Trennung von Jannis (Josef Heynert) ihre Gefühle zu Kung-Fu-Trainer und Surf-As Arndt (Oliver Stein) aus, und Christina hat heimliche Schäferstündchen mit ihrem Ex Nils (Marc Ben Puch). Dass für beider Sohn Ben (Oscar Brose) die Berlinfahrt nach bestandenem Abitur mehr wird als eine einmalige Spritztour – das macht Christina, aber auch ihrer Tochter Klara (Zora Müller) schwer zu schaffen. Die Jüngste fühlt sich momentan ohnehin von allen alleingelassen, auch von Ella, die ihr bei einem juristischen Fall um ein verletztes Therapiepferd, das zum Schlachter soll, zunächst nicht helfen will. Zwischendurch sind die beiden ungleichen Freundinnen emotional so sehr durch den Wind, dass sie es sogar für möglich halten, ineinander verliebt zu sein. Es ist aber auch zu blöd! Endlich scheint auch Arndt für eine Beziehung bereit zu sein, da muss er ausgerechnet vier Wochen dringend nach Süddeutschland. Ella wird nervös. Sie kennt ja dieses Muster nur zu gut: Erst hat ihr Ehemann sie mit Christina lange Zeit betrogen, und dann hat Jannis bei einem Griechenlandaufenthalt gleich mal eine alte Bekannte geschwängert.

Foto: ZDF / Rudolf Wernicke Zu Beginn der letzten drei Episoden durchläuft die Freundschaft der Hauptfiguren eine schwierige Phase. Beide glauben, dem anderen Ratschläge geben zu müssen. Ella Schön nutzt die "Auszeit" für Erfahrungen in Sachen Natur und Sinneswahrnehmung.

Zu Beginn der letzten drei Episoden durchläuft die Freundschaft der Hauptfiguren eine schwierige Phase. Beide glauben, dem anderen Ratschläge geben zu müssen. Ella Schön nutzt die "Auszeit" für Erfahrungen in Sachen Natur und Sinneswahrnehmung.

„Ella Schön“ geht in die letzte Runde. Da ist noch mal richtig was los auf Fischland, vor allem aber bei der Titelfigur. Denn Ella ist mehr denn je bereit, in ihrem Leben etwas zu verändern und mehr zu wagen als bisher. Das fängt in der ersten Episode „Das Glück der Erde“ mit den schönen kleinen Dingen des Lebens an, denen sie bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat: eine Nacht auf einer Wiese am Waldrand, ein glitzernder Sternenhimmel, barfuß durch eine morgendlich frische Wiese gehen. Etwas grundlegender schon ist die Erkenntnis, dass Pferde nicht länger „zu groß und zu unberechenbar“ sind, sondern dass sie auch therapeutisch Wunder wirken können. In der Episode „Freischwimmer“ erkennt die ängstliche Immer-noch-Referendarin, dass sie eigentlich gar nicht so schlecht schwimmen kann. Wenn da nur nicht diese Angst wäre! Bei einer Schwimmlektion mit Christina geht Ella unter, es zieht sie hinab, sie kann nichts dagegen tun. Ein eindringliches Bild, das auch die anschließende Rettung zeigt: die ausgestreckte Hand der besten Freundin, die sie nach oben zieht. Vielleicht DAS Sinnbild der mittlerweile elf „Ella Schön“-Episoden. Und dann wagt sich die Frau, für die Lachen und Lust Fremdwörter sind, sogar noch aufs Surfbrett – und gibt dabei durchaus eine passable Figur ab. Dass sie es tut, um dem Mann ihres Herzens zu imponieren und nicht, weil es ihr Spaß bereitet, das passt zu ihrem (zwanghaften) Charakter. Erfolge jedenfalls motivieren sie – und so wagt sie sich in der Episode „Seitensprünge“ an ihre Abschlussprüfung, an ihren ersten eigenen Fall als Anwältin und an eine Freundschaft mit einer anderen Außenseiterin. Ella lernt also. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Im Rahmen einer Asperger-Persönlichkeit.

Foto: ZDF / Rudolf Wernicke Während Christina Sex mit dem Ex bevorzugt, hält sich Ella (Annette Frier) lieber an was Neues – sprich: ihren Kung-Fu-Trainer Arndt (Oliver Stein), dem zuliebe sie sogar Surfen lernen möchte. Die Titelfigur, bisher häufig eine Art menschlicher Katalysator, die die Wahrheit ans Licht bringt, auch, weil das Asperger-Syndrom sie zur Ehrlichkeit verpflichtet, diese Ella muss jetzt vornehmlich an sich selbst denken…

Während Christina Sex mit dem Ex bevorzugt, hält sich Ella (Annette Frier) lieber an was Neues – sprich: ihren Kung-Fu-Trainer Arndt (Oliver Stein), dem zuliebe sie sogar Surfen lernen möchte. Die Titelfigur, bisher häufig eine Art menschlicher Katalysator, die die Wahrheit ans Licht bringt, auch, weil das Asperger-Syndrom sie zur Ehrlichkeit verpflichtet, diese Ella muss jetzt vornehmlich an sich selbst denken…

Alles, was in den bisher vier Artikeln zu „Ella Schön“ geschrieben wurde, gilt auch für die neuen und letzten drei Episoden. Alle Stärken dieser ZDF-„Herzkino“-Ausnahme-Reihe finden sich auch im Finale: die Dominanz der privaten Geschichten über die juristischen Fälle, die zumeist aus dem Umfeld der Hauptfiguren resultieren, der Wert, der dem Alltäglichen beigemessen wird, der Verzicht auf (künstlich aufgebauschte) Dramen. Die wahren Dramen finden in dieser Reihe im Inneren der Hauptfigur statt. Deshalb gibt es immer wieder sehr gelungene Versuche, etwas von Ellas Seelenleben ikonografisch auf die Bildebene zu spiegeln: die strenge Frisur, der ernste, angespannte Blick, ihre akkurate, in Form und Farbe reduzierte Kleidung. In den neuen Episoden greift die Heldin zum Diktiergerät, um ihr inneres Chaos in Herzensfragen zu sortieren. Das klingt dann im Falle Jannis so: „Schwindel, Verwirrung, Unsicherheit nach Begegnung. Möglicherwiese doch stärkere Betroffenheit nach Trennung als vermutet.“ Und zu Arndt hält sie fest: „Tag 26. Bekämpfung Liebeskummer. Rückzugs-Strategie funktioniert nicht. Gedanken an ihn führen zu größerer innerer Unordnung. Das bewusste Weglassen dieser Gedanken führt zu noch größerer Unordnung.“ Diese Methode entspricht einer Heldin, der Face-to-Face-Kommunikation, etwa ein klärendes Gespräch, schwerfällt. Die Sprachaufnahmen sorgen auch für Erheiterung. Im Film ist diese Variante zudem eine schöne Ergänzung zu den stummen Szenen, in denen man dieser „komischen ernsten Frau“ zuschaut, wie sie beispielsweise ein Foto von Arndt und sich vom Sideboard nimmt, in ein Schubfach verstaut und es Tage später wieder aufs Sideboard zurückstellt.

Foto: ZDF / Rudolf Wernicke Reine Provokation? Oder steckt mehr dahinter? Im Dorf sind Ella (Annette Frier) und Christina (Julia Richter) jedenfalls mal wieder das Gesprächsthema Nummer eins.

Reine Provokation? Oder steckt mehr dahinter? Im Dorf sind Ella (Annette Frier) und Christina (Julia Richter) jedenfalls mal wieder das Gesprächsthema Nummer eins.

Soundtrack: US3 ("Cantaloop"), Dave Brubeck Quartet ("Take 5"), Adriano Celentano ("Azzurro"), Al Bano & Romina Power ("Felicita")

Es wird so schnell sicherlich keine ebenso gute ZDF-Sonntagsfilmreihe geben. Die Liste der Pluspunkte ist lang (und kann durch die anderen vier Kritiken zur Reihe – 2018 / 2019 / 2020 / 2021 komplettiert werden). „Ella Schön“ kann mit Annette Frier punkten, die mit ihrer hoch konzentrierten Performance einer Frau mit besonderer „neurologisch bedingter Wesensart“ zumindest im Rahmen des deutschen Unterhaltungs-TV jetzt schon Fernsehgeschichte geschrieben hat. Und Julia Richter liefert als Christina das perfekte Gegenbild zu diesem manisch strukturierten Kopfmensch: sympathisch auf den ersten Blick, nahbar, herzlich, spontan und ein bisschen chaotisch. Es spricht für die Schauspielerinnen, dass die Gegensätze in dieser Reihe nie wie die üblichen Drehbuch-Setzungen wirken. Aber es spricht auch für Elke Rössler und Simon X. Rost. In dieser Reihe, in der sich die Charaktere und Konflikte entwickeln, stärkt das eingespielte Autorenduo den horizontalen Flow. Außerdem missbrauchen die beiden das Asperger-Syndrom nicht, sie geben sicher keine klinisch korrekte Variante wieder, dafür sensibilisieren sie klug und konsequent für dieses „Anderssein“. Eine unkonventionelle und unversöhnliche Figur wie Ella Schön, die auf gesellschaftliche Konventionen ohne eine Miene zu verziehen pfeift, weil sie nicht anders kann, muss Spuren in der Narration hinterlassen. Ein Happy End klassischer Prägung kann es mit einer wie ihr nicht geben. Was für eine Wohltat. Man wähnt sich mitunter fast in einer Meta-Wohlfühlreihe.

Foto: ZDF / Rudolf Wernicke Dumm gelaufen zwischen Ella (Annette Frier) und Jannis (Josef Heynert). So ist das manchmal im Leben. "Herzkino" der modernen, der erfrischenden Art. Durch die emotional gehandicapte Hauptfigur entstehen gebrochene, wahrhaftige Momente, wie sie herkömmliche Liebesdramödien in der Regel nicht hinbekommen. Eine Wohltat.

Dumm gelaufen zwischen Ella (Annette Frier) und Jannis (Josef Heynert). So ist das manchmal im Leben. "Herzkino" der modernen, der erfrischenden Art. Durch die emotional gehandicapte Hauptfigur entstehen gebrochene, wahrhaftige Momente, wie sie herkömmliche Liebesdramödien in der Regel nicht hinbekommen. Eine Wohltat.

An „Ella Schön“ lässt sich erkennen, was serielles Erzählen in einer Unterhaltungsfilmreihe heißen kann, wenn es gut gemacht ist. Es ist ein Unterschied, ob eine Figur in einem 90-Minüter im Schlussdrittel zur Läuterung läutet, oder ob eine Figur nach acht, neun Episoden es systematisch anzugehen versucht, mehr Mut zu zeigen und weniger Angst vor Veränderungen zu haben, nachdem sie zuvor nur in kleinen Lernschritten vorangekommen ist. Was in Einzelstücken oft mit Hilfe von 08/15-Dramaturgie und lebensbejahender Kalendersprüche gelöst wird, dem steht hier ein mitunter schmerzhafter Lebensweg gegenüber, der nach vielen unterhaltsamen Filmstunden in einer glaubwürdigen Erkenntnis gipfelt. Das spricht nicht prinzipiell für Reihe. Filme am Freitag im „Ersten“ zeigen, dass es klischeefrei und weniger genrekonform auch in Einzelfilmen geht, während Reihen wie „Der Ranger“, „Praxis mit Meerblick“ oder „Reiterhof Wildenstein“ so gut wie immer dasselbe erzählen. Das spricht für eine Reihe wie „Ella Schön“. Dass der Wunsch nach mehr Leben aus dem wiedererlangten Gefühl der Liebe zu einem Mann heraus entsteht, macht diese wunderbare Reihe über eine ungewöhnliche Frauenfreundschaft am Ende dann doch noch zu einem Stück „Herzkino“. Wer allerdings in ein paar Jahren an die Reihe zurückdenkt, für den sind Christina, die in der letzten Episode am Anfang und am Ende als Erzählerin auftritt, und ihre „komische beste Freundin“ DAS Paar von „Ella Schön“, unabhängig davon, was oder was nicht in jener alkoholdurchtränkten Nacht („Warum seid Ihr nackt?“) passiert ist. (Text-Stand: 27.3.2022)

Foto: ZDF / Rudolf Wernicke Am Ende der elften Episode von Ella Schön" wird es erwartungsgemäß (angenehm!) emotional. Wie sehr, das dürfte vom einzelnen Zuschauer abhängen und davon, wie sehr er diese beste Unterhaltungsfilm-Reihe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens vermissen wird. Davor gibt es aber immer auch etwas zum Schmunzeln. Diese Szene ist ein Kracher und nicht nur für Fans von Al Bano & Romina Power ein Lacher. Wer hätte gedacht, dass Ella einmal mit der Bürgermeisterin "Felicita" schmettern wird.

Am Ende der elften Episode von Ella Schön" wird es erwartungsgemäß (angenehm!) emotional. Wie sehr, das dürfte vom einzelnen Zuschauer abhängen und davon, wie sehr er diese beste Unterhaltungsfilm-Reihe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens vermissen wird. Davor gibt es aber immer auch etwas zum Schmunzeln. Diese Szene ist ein Kracher und nicht nur für Fans von Al Bano & Romina Power ein Lacher. Wer hätte gedacht, dass Ella einmal mit der Bürgermeisterin "Felicita" schmettern wird.

Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Prüfer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr

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„Ella Schön – drei Episoden 2022 “ ZDF / Reihe / Dramödie EA: ab 16.4.2022, 10 Uhr (in der ZDF-Mediathek); ab 24.4.2022, 20.15 Uhr (ZDF) Mit Annette Frier , Julia Richter , Rainer Reiners , Josef Heynert , Tanja Schleiff , Zora Müller , Oscar Brose , Oliver Stein , Lina Wendel , Reiner Schöne , Adriana Altaras , Sigfried Terpoorten , Marc Ben Puch , Gisa Flake Drehbuch: Elke Rössler, Simon X. Rost Regie: Holger Haase Kamera: Konstantin Kröning Szenenbild: Anke Osterloh Kostüm: Anne Jendritzko Schnitt: Torsten Lenz Musik: Martina Eisenreich Redaktion: Corinna Marx Produktionsfirma: Dreamtool Entertainment – Stefan Raiser Quote: (1): 4,03 Mio. Zuschauer (12,9% MA); (2): 4,21 Mio. (13,4% MA); (3): 3,83 Mio. (12,9% MA)

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Drehbücher sind eine seltene Gattung in der Literatur – umso schöner, dass es nun Thomas Kirchners "Spreewaldkrimis" liebevoll ediert nachzulesen gibt. Band 1 ist gerade erschienen. Zu bestellen beim Verlag Sol et Chant

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Die Zeit der Wiederholungen bricht an. Das hat auch sein Gutes. Wer Highlights verpasst hat, kann jetzt einiges nachholen. Die vier besten ARD-Serien des letzten halben Jahres sind noch in der Mediathek zu sehen: das etwas andere History-Event „Eldorado KaDeWe“, das Hochspannungs-Drama „Euer Ehren“, die deutsch-deutsche Zeitreise im Serien-Format, „ZERV“, und „Die Glücksspieler“, eine hintersinnige, lebenskluge Komödie, wie es sie hierzulande aller Jubeljahre nur ein Mal gibt. Das ZDF hat nur zwei kleine, dafür sehr stimmige Serien online im Angebot: das Grimme-Preis-nominierte „Wir“ und „Becoming Charlie“. Die Zeit der Wiederholungen kann einem außerdem den Blick in Richtung internationales Fernsehen öffnen. So kann man sehen, was sich mit „Beforeigners“ (ARD) Norwegen spannend Schräges traut, dass Schweden auch Feelgood-Drama wie „Einfach Liebe“ kann, oder dass in Sachen Comedy & Dramedy die Briten unerreicht bleiben: „Back to Life“ (ARD), „Pure“ (ZDF), „Two Weeks To Live“ (ZDF), „Good Vibrations“ (Arte), „After Life“ (Netflix) – skurril, intelligent, unterhaltsam, durchaus ernsthaft. Gleiches gilt für drei französische Serien, die zu meinen europäischen Lieblingen gehören: der Ableger eines israelischen Drama-Formats, „In Therapie“ (Arte), pro Staffel 35 Sitzungen, ein Therapeut, vier Patienten, ein Supervisor, alles entwickelt auf dem Hintergrund der Terror-Anschläge von 2015: Psychologie also nicht als bourgeoises Freizeit-Vergnügen. „Call My Agent“ (Prime Video), die Serie über eine Pariser Künstleragentur, die bissig die Branche bespiegelt, wie es eben nur in einem Land funktioniert, das seine „Stars“ liebt. In jeder Folge gibt sich eine Schauspieler-Größe wunderbar selbstironisch die Ehre. Mehr noch als diese zynischen Agenten wachsen einem die Stand-up-Comedians in der Wohlfühlserie „Drôle – einfach komisch“ (Netflix) ans Herz: eine charmante Zeitgeist-Komödie, viereinhalb Stunden im Sog von Freundschaft, Romantik, Selbstfindung & Social Media.

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Drehbücher sind eine seltene Gattung in der Literatur – umso schöner, dass es nun Thomas Kirchners "Spreewaldkrimis" liebevoll ediert nachzulesen gibt. Band 1 ist gerade erschienen. Zu bestellen beim Verlag Sol et Chant