Windsurf-Pioniere Jürgen und Manfred Charchulla: Ziiiiisch! - DER SPIEGEL

2022-05-14 03:15:37 By : Ms. Yaofeng Jiangsu

"Ich schrie vor Glück!"

Da, irgendwo beim Schuppen, muss dieses Ding liegen, so hat es ihnen ein Freund verraten. Es ist schon Nacht auf Sylt, und die beiden Männer sind aufgeregt. Die Kegel ihrer Taschenlampen kreisen durch den Garten, das Haus ist dunkel. Niemand da.

Im Licht schimmert matt ein überdimensioniertes, spitz zulaufendes Bügelbrett - mit Segel. So etwas haben die Zwillinge Jürgen und Manfred Charchulla, in den 15 Jahren, in denen sie gemeinsam zur See gefahren sind, noch nie gesehen. Dass es Windsurfbrett heißt, ahnen sie nicht einmal. Ebenso wenig, wie dieses seltsame Gerät ihr Leben verändern würde - und dass sie bald als "die Surf-Zwillinge" zu den erfolgreichsten Pionieren eines neuen Trendsports aufsteigen würden.

"Unsere erste Reaktion damals war: Das Ding müssen wir unbedingt nachbauen!", erinnert sich Jürgen Charchulla 43 Jahre später auf der Insel Fehmarn, wo sie beide eine Surf-Schule leiten, und sein 15 Minuten älterer Bruder Manfred ergänzt: "Ja, unbedingt!" Dann brechen die langhaarigen Seemänner mit ihren dicht gekräuselten Vollbärten und wettergegerbten Gesichtern gleichzeitig in ein Lachen aus, so tief und grollend wie eine Brandung bei Sturm.

Es ist die Vorfreude auf das, was die 76-Jährigen nun im schnellen Wechsel erzählen werden - die Geschichte eines einfachen Plans, der grandios scheiterte. Ihre stechend blauen Augen strahlen dabei die gleiche Vitalität aus, die Brüder tragen das gleiche Karo-Hemd, darüber eine bunte Peru-Jacke. Der eine beginnt einen Halbsatz, der andere beendet ihn. Dazwischen donnernde Lachsalven, während der Wind dunkle Wolken über Fehmarn treibt.

Noch in jener Nacht im Jahr 1972, als die Brüder das seltsame Surfbrett zum ersten Mal sahen, hatten sie grob Maß davon genommen. Schon am nächsten Tag besorgten sie sich auf Sylt ein normales Surfbrett zum Wellenreiten. In wochenlanger Tüftelarbeit schraubten sie einen Gabelmast darauf, schnitten Segeltuch zusammen - fertig war das Windsurfbrett.

"Ich schrie vor Glück!"

"Alles war furchtbar ausbalanciert", erzählt Manfred Charchulla, "zudem sog sich das Baumwollsegel tonnenschwer mit Wasser voll. Wie sollte ich das hochkriegen?" Ihm erschien das alles unlogisch: Ein Boot, bei dem der Mast zum Start aus dem Wasser gezogen werden muss? "Das widersprach allen Prinzipien des Segelns", sagt Jürgen Charchulla. "Wir sind auf großen Schiffen ausgebildet worden, der Mast war immer das Beständige. Der kippt nicht einfach um!"

Erste Versuche - bei Windstärke sieben

Trotz aller Rückschläge tüftelte Manfred weiter an seinem Eigenbau. Er verlängerte das Board, baute zur Stabilisierung zwei Ausleger dran, testete das Ganze in der Nähe seines Wohnorts am westfälischen Möhnesee. Am Ende hatte er eher eine Jolle, langsam und behäbig. Damit war er weit entfernt von der Faszination des Sports, die er später in einem Wort zusammenfasst: "Zischen! Über alles hinwegzischen, alles vergessen."

Ein ähnliches Erlebnis hatte etwas früher Calle Schmid. Der Besitzer einer Sylter Segelschule brachte im April 1972 die ersten beiden Windsurfbretter nach Deutschland. Zufällig hatte er einen dürren Fachartikel über das Windsurfen gelesen, das der US-Amerikaner Jim Drake in den Sechzigern erfunden hatte. Schmidt war sofort fasziniert. Ein mobiles Segelboot, das man unter den Arm von Strand zu Strand tragen konnte? Perfekt für die ständig wechselnden Windverhältnisse auf Sylt!

Also rief er bei dem Unternehmer Hoyle Schweitzer an, der das Patent für das Windsurfen von Drake erworben hatte, überwies ihm 500 US-Dollar - und stand kurz danach als erster Deutscher auf einem Windsurfbrett. Ein paar Millisekunden zumindest. Bei Windstärke sieben.

"Ich dachte, so viel Wind wären ideale Bedingungen", erzählt der heute 75-Jährige schmunzelnd. "Das wurde eine sehr schmerzhafte Erfahrung." Von den ständigen Stürzen holte er sich Striemen und Prellungen, damals hatten die Bretter noch scharfe Kanten und Schrauben. Er rieb sich dagegen mit Franzbranntwein ein, probierte es noch einmal. Vergeblich.

Am nächsten Tag ein weiterer Versuch. Die See war spiegelglatt, der Wind hatte nachgelassen. "Plötzlich fing ich an zu gleiten. Irre. Ich jubelte und schrie vor Glück." Vielleicht ein wenig Sylt-typisch, dass ihn dabei ein Prominenter beobachtete: Martin Böttcher, Komponist der Karl-May-Filmmusik, war so begeistert, dass Schmidt sofort seinen ersten Auftrag als Surfbrett-Importeur hatte.

Das Surf-Virus breitet sich aus

Auf solche Zufälle wollte er sich künftig nicht verlassen, um Windsurfen populär zu machen. Medienwirksam schipperte der gelernte Werbefachmann über die Hamburger Alster und zog im rasanten Tempo ein dichtes Netz an Surf-Schulen hoch. Sein Prinzip war so einfach wie clever: Damit ungeübte Windsurfer den jungen Sport durch Unfälle nicht in Misskredit brachten, schulte Schmidt zunächst - und verkaufte seine Bretter erst dann. Jeder frisch begeisterter Surfer konnte danach für ihn als Zwischenhändler weitere Schulen eröffnen.

So verbreitet sich das Surf-Virus in der ganzen Republik. Verirrten sich zur ersten Regatta Europas im September 1972 nur zwölf Surfer nach Sylt, lotste Schmidt ein Jahr später zur ersten Europameisterschaft schon 130 Sportler auf seine Heimatinsel. "Ich habe im Windsurfen sofort eine große Zukunft gesehen", berichtet er, "aber nie mit dieser Lawine gerechnet, die ich losgetreten habe."

Besonders gut lief es 1973 auf der Düsseldorfer Messe "boot". Regelmäßig warf der Hallenmeister eine Windmaschine an. "Dann zog ich meine Socken aus, stieg in Anzug und Krawatte auf mein Brett und drehte im Hallenbecken locker ein paar Runden. Die Leute klatschten und standen nachher bei mir Schlange." 300 Bretter verkaufte er allein auf der Messe, 2000 im ganzen Jahr.

Zu Schmidts ersten Zwischenhändlern gehörten die Charchulla-Zwillinge, die inzwischen ihre Eigenkonstruktion verworfen hatten. Jürgen kümmerte sich um die Region Bremen, Manfred um den Möhnesee. Er besorgte sich einen ausgedienten Krankenwagen und wandelte ihn in eine mobile Surf-Schule um, mit der er von Strand zu Strand fuhr. "Auf Norderney haben wir jeden Tag etwa 20 Leute ausgebildet", erzählt Jürgen. "Nach drei Monaten hatten wir die Taschen voller Geldbündel."

Jetzt schien alles möglich. Warum nicht auch Australien, wo das Wellenreiten sehr populär war, begeistern? Manfred Charchulla wurde 1974 dort schnell zum Liebling der Medien: ein gutaussehender Surf-Missionar, der so gar nicht zum Klischee des verstockten Deutschen passt und mit Pfeife im Mundwinkel über das Wasser saust. Doch der Funke sprang nicht über. "Die Australier guckten nur dösig und fragten sich, was das mit diesem Segel sollte." Nur sieben Bretter verkaufte er, dann reiste er ab. Australien blieb zunächst Windsurfer-Entwicklungsland.

In der Bundesrepublik aber boomte der Sport, und die Charchullas wurden als kauzige Spaßmacher zu den Stars der Szene. Abends am Strand waren sie die ersten, die mit ihren Gitarren Gassenhauer anstimmten. "Meine Kunden haben sich erst über die beiden totgelacht, und nach ein paar Bier mitgegrölt", erinnert sich Schmidt.

Gleichzeitig setzten die Zwillinge aber auch sportliche Rekorde. 1975 surften sie auf einem Tandembrett in acht Stunden als Erste über den dicht befahrenen Ärmelkanal. Das sei "ein Kinderspiel" gewesen im Vergleich zu ihrer Fahrt zwei Jahre später von Dänemark nach Norwegen über den Skagerrak. "Die Wellen haben uns alle fünf Minuten vom Brett geschmissen", erzählt Jürgen Charchulla, "wir hatten ja damals keine Fußschlaufen." Nach 14 Stunden hatten sie 122 Kilometer zurückgelegt - und bekamen an Land mächtig Ärger, weil sie ohne Pässe eingereist waren.

Irgendwann wurden selbst diese wilden Surf-Pioniere etwas bürgerlicher und ließen sich wegen der günstigen Windverhältnisse auf Fehmarn nieder. "Die Einheimischen haben uns anfangs nur geduldet", sagt Manfred. "Sie sagten: Ihr vertreibt mit euren Plastikbrettern doch nur die Fische!" Für die Insel aber war es ein Segen, dass die Brüder blieben. Mit dem Trendsport kam das Geld, Fehmarn galt bald als "Hawaii des Nordens". Bis heute betreiben die Brüder hier erfolgreiche ihre Schulen. Alles wunderbar, wäre es nicht so kalt.

Manfred Charchulla hat versucht, das zu ändern. Jetzt zeigt er von der Terrasse seiner Surf-Schule stolz auf grüne Palmen, krächzende Papageien und Delfine, die aus dem Wasser springen. Er malt so gerne wie er surft, also hat er die gesamte Außenwand seiner Surf-Schule in leuchtende Farben getaucht - und Fehmarn samt seiner berühmten Brücke künstlerisch in die Karibik verlegt.

Genau dorthin fliehen die Zwillinge jeden Winter. Manfred nach Venezuela, Jürgen nach Panama. Draußen senkt sich die Dämmerung über die Ostsee. Drinnen, in Manfreds Atelier, lächeln die Zwillinge auf seinen Ölgemälden mit perlweißen Zähnen und surfen gemeinsam vor einer glutroten Sonne. Haben sie keine Angst vor dem Alter? Vor dem Moment, in dem sie ein anderes Leben führen müssen?

Manfred zögert, dann sagt er bestimmt: "Die See hat uns jung gehalten. Wir werden einfach immer weiter surfen."

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Im Geschwindigkeitsrausch: "Zischen", fasst Manfred Charchulla, hier 1979 selbst auf dem Brett, die Faszination seines Lieblingssports zusammen. "Es gibt nur dieses eine Wort: zischen. Über alles hinwegzischen, alles andere vergessen."

In die Luft gehen: Der lange Bart ist gut erkennbar - einer der Charchulla-Zwillinge 1979 in Aktion. Das Springen wurde mit den kürzeren Windsurfbrettern einfacher.

Fehmarns buntester Flecken: Manfred Charchulla (l.) auf der Terrasse seiner Surf-Schule, in der sich auch seine Karibikbar befindet. Das Bild auf der Außenwand hat er vor zwei Jahren gemalt und darin seine Liebe zum Surfen, zur Karibik und zu seiner Heimatinsel (im Hintergrund die Fehmarnsundbrücke) vereint. Mitte der Siebziger war er mit einer mobilen Surfschule hierher gezogen, später kam sein Bruder nach und eröffnete ebenfalls eine Surf-Schule. Zunächst skeptisch beäugt, machten die Charchullas Fehmarn zu einem Mekka des Windsurfens - und eröffneten hier das erste Surf-Museum Europas.

Vorreiter: In Bremen gründete Jürgen Charchulla, hier auf Hawaii, Anfang der Siebzigerjahre einen der ersten Surfshops Europas, während sein Bruder Manfred am Möhnesee schon sehr früh Regatten organisierte und Surfkurse anbot.

Auf Rekordjagd: Als Erste wagten die Surf-Zwillinge eine Überquerung des Skagerrak. Nach 14 Stunden hatten sie die 122 Kilometer von Dänemark nach Südnorwegen zurückgelegt. "Dagegen war die Überquerung des Ärmelkanals ein Kinderspiel", sagt Jürgen Charchulla, "alle fünf Minuten fielen wir ins Wasser". Endlich an Land bekamen sie von der Polizei mächtig Ärger, weil sie ohne ihre Pässe eingereist waren.

Karibikfeeling aus Fehmarn: Die Surf-Zwillinge Jürgen (l.) und Manfred Charchulla treten bis heute auch mit ihrer Band The Steeltwins auf, hier ein Plattencover. Schon seit Jahren fliehen sie jeden Winter zum Surfen aus ihrer Heimat Fehmarn in die Karibik. Dort verliebten sie sich in die Steel Pan, ein in Trinidad erfundenes Musikinstrument. Die Gute-Laune-Musik, die man damit machen kann, bringen sie seitdem auch in deutsche Kneipen.

Angstlos: "Als erfahrene Seemänner fühlen wir uns als Verbündete mit dem Meer", erzählt Manfred Charchulla. "Wenn wir dem Meer nichts antun, dann tut uns das Meer auch nichts an."

Lebensglück: "Wir sind stolz, Surf-Pioniere zu sein", sagt Jürgen Charchulla, "weil wir einfach nur das gemacht haben, was uns Spaß bereitet hat, ohne dabei an den Profit gedacht zu haben. Das Geld kam dann von ganz alleine - und davon konnten wir dann später in die Karibik fliegen". Und dort surfen, wie hier auf Hawaii.

Windmaschine an! Erstmals wurde Windsurfen im Januar 1973 auf der Düsseldorfer Messe "boot" einem größeren Publikum vorgestellt. Geschickt ließ Surf-Pionier Calle Schmidt ab und an ein paar junge Damen im Hallenbecken der Messe ein paar Runden drehen - dafür wurde extra eine Windmaschine angeworfen. Ab und an stieg er auch selbst in Anzug und Krawatte aufs Brett. Die Messe war ein großer Erfolg für ihn: Insgesamt verkaufte er 300 Bretter.

Der Pionier: Der Sylter Calle Schmidt brachte im April 1972 die ersten zwei Surfbretter nach Deutschland. Schnell spürte er die Faszination des in Europa noch unbekannten Sportes und baute ein Händlernetz auf. Seine Ware bestellte er bei dem US-Amerikaner Hoyle Schweitzer, der das Patent an der Technologie besaß. Hergestellt wurden dessen hochwertige Bretter von Dupont. Für Europa aber übertrug Schweitzer die Produktionslizenz 1973 an die holländische Firma Ten Kate. "Die stellten anfangs Bretter von grauenvoller Qualität her", erinnert Schmidt. "Die hatten überall Dellen und fielen bei Hitze in sich zusammen wie eine alte Salatgurke." Vorreiter Schmidt wurde in der sich turbulent entwickelnden Windsurfing-Szene 1974 aus dem Markt gedrängt. Vier Jahre später gelang ihm mit dem kürzeren Fun-Board ein erfolgreiches Comeback.

Marketing-Profi: Geschickt wusste Calle Schmidt, ein gelernter Werbefachmann, die Medien einzusetzen, um das Windsurfen in der Bundesrepublik populär zu machen. Hier surft er im Mai 1972 als Erster auf der Hamburger Alster - nicht ohne zuvor den Fotografen einer Presseagentur informiert zu haben. Das Bild wurde deutschlandweit gedruckt, darunter auch im SPIEGEL - und Schmidt hatte bald eine Menge neue Bestellungen.

Zwei Leben auf dem Wasser: Aufgewachsen am Frischen Haff in Kahlberg, dem heutigen Krynica Morska in Polen, waren die Charchullas schon als Kinder von der See fasziniert - und die See rettete ihnen womöglich das Leben, als sie am Kriegsende 1945 über das gefrorene Haff in den Westen fliehen konnten. Später verdienten sich die Zwillinge 15 Jahre lang als Seemänner ihr Geld. Irgendwann hörten sie ein Gerücht über "ganz verrückte Leute, die auf Brettern stehen, durch die Wellen jagen und dafür von den Mädchen bewundert werden", erinnert sich Jürgen Charchulla. Das klang vielversprechend - und schließlich wurde Windsurfen ihr Leben.

Mit dem Wind: Einer der Surf-Zwillinge versteckt sich auf diesem Foto von 1979 hinter dem Segel. Aufgenommen am Hanalei-Beach auf der zu Hawaii gehörenden Insel Kauai.

Lässig: 1974 versuchte Manfred Charchulla, das Windsurfen auch im fernen Australien populär zu machen - und schoss wie immer mit seiner Pfeife übers Wasser. Die Aufmerksamkeit der australischen Presse...

...war dem Surf-Missionar aus der Bundesrepublik damit sicher, die Australier jedoch ließen sich von dem komischen Wassergefährt nicht überzeugen. "Die guckten nur dösig und fragten, was das mit dem Segel auf dem Brett soll", erinnert sich Charchulla. "Als begeisterte Wellenreiter war das eine Entjungferung ihres Sports." Er verkaufte kaum Bretter und kehrte nach ein paar Wochen in die Bundesrepublik zurück.

Maler seines Lebens: Manfred Charchulla versprüht nicht nur gute Laune, er hält sie auch in leuchtenden Farben auf Ölgemälden fest. Natürlich geht es meist um seine große Leidenschaft, das Windsurfen. Hier zeigt er in seinem kleinen Atelier im ersten Stock seiner Surfschule auf Fehmarn eines seiner aktuellen Bilder.

Gescheiterter Nachbau: Manfred Charchulla testet 1972 auf dem westfälischen Möhnesee sein eigens konstruiertes Windsurfbrett. Als Basis diente ein konventionelles Wellenreiterbrett, das er auf Sylt erworben hatte. Das Segel hat er selbst zusammengebaut. Das Gefährt war aber so ungünstig ausbalanciert...

...dass er ständig ins Wasser fiel. Das Baumwollsegel sog sich mit Wasser voll, der Mast war zu schwer, das Brett zu wackelig. Es war Slapstick, aber frustrierender. Wochenlang tüftelte Manfred Charchulla dennoch weiter an dem Gefährt, verlängerte und stabilisierte es mit Auslegern aus Plastik. Am Ende fuhr es, irgendwie. "Es ähnelte aber eher einer Jolle. Mit Windsurfen hatte das eigentlich wenig zu tun", erinnert er sich lachend.

Weltrekord: Vor 40 Jahren, Ende Mai 1975 surften die Charchulla-Zwillinge mit ihrem Freund Bern Ulrich in acht Stunden über den dicht befahrenen, nebeligen Ärmelkanal. "Die Idee entstand zu später Stunde zwischen Bier und Wein am Möhnesee, als dort eine Regatta stattfand", erinnert sich Manfred Charchulla. "Wir wollten unsere Grenzen austesten, es war verdammt anstrengend." Für das historische Manöver erfanden sie einen speziellen Ausreitgurt, den sie "Kanalbeschlag" tauften, um die Arme von dem ständigen Segeldruck zu entlasten.

Wer fliegt da? "Das war ich," beteuert Surf-Pionier Manfred Charchulla - ist sich dann aber doch nicht ganz sicher, ob es vielleicht nicht doch sein genauso begabter Zwillingsbruder Jürgen war.

Das Zwillingsrätsel: Die einfachste Möglichkeit, die Surf-Zwillinge heute auseinanderzuhalten ist eigentlich die Pfeife. Manfred Charchulla raucht, Jürgen nicht. Auf dieser Aufnahme haben aber beide Zwillinge eine Pfeife in der Hand - und kommen bei der Identifizierung selbst durcheinander. "Bin ich das?", fragt Jürgen, und deutete auf den Mann links auf dem Foto. "Kann sein", sagt Manfred. "Ne, ich gucke doch nie so verbissen", witzelt Jürgen. Schließlich einigen sie sich: Jürgen rechts, Manfred links.

Untrennbar: Gemeinsam mischten sie als schräge Surf-Pioniere in den Siebzigerjahren die junge Szene des neuen Trendsports auf - Jürgen und Manfred Charchulla auf einem Tandembrett.

Musikalische Seemänner: Wenn sie gerade nicht auf dem Brett stehen, machen Jürgen und Manfred Charchulla (r.) gerne Musik - hier eine Aufnahme beim Auftritt mit ihrer Band The Steeltwins. Daneben tragen die beiden auch lateinamerikanische Gassenhauer mit ihrer Band Los Sombreros vor.

Zweite Heimat: So in etwa sieht das Haus von Jürgen Charchulla an der Küste von Panama aus, gemalt hat es sein Bruder Manfred. Jeden Winter flieht Jürgen für ein paar Monate hierhin. Sein Bruder verbringt die Winterzeit in Venezuela. Ihren Geburtstag feiern die Zwillinge aber stets gemeinsam in Panama.

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