50 Jahre Windsurfen: Nur Fliegen ist schöner - DER SPIEGEL

2022-05-14 03:16:55 By : Mr. Jason Chen

Windsurfing: "Die Mutter aller Trendsportarten"

Unmöglich. Das muss ein Witz sein! Ernstfried Prade starrt auf das kleine Foto in dem Artikel der Fachzeitschrift "Typo". Prade ist Grafikdesigner in einem Kunststoffwerk, sonst hätte er diesen Artikel 1972 wohl nie gesehen - jenen Artikel, der sein Leben auf den Kopf stellen sollte.

Auf dem Foto sieht Prade einen Mann, der auf einem schlanken Brett balanciert wie ein Zauberer, ein Segel in der Hand. Prade ist passionierter Segler, er hat ein Boot am Starnberger See und glaubt, sich mit Wasser und den Gesetzen der Schwerkraft auszukennen. "Das kann nicht funktionieren, mit diesem Ding muss man umfallen", denkt er.

Und wenn es doch klappt? Wäre das nicht eine Revolution?

Als eine Lokalzeitung wenig später ankündigt, so ein "Stehsegler" werde am Ammersee erwartet, will er es wissen. "Ich bin sofort hingefahren", erinnert er sich. "Ich habe den Surfer gefragt, ob ich mir sein Brett ausleihen kann, es stundenlang probiert und dann gemerkt: Damit kann man wirklich wenden! Es war ein Riesenspaß. Ich war sofort infiziert."

Windsurfing: "Die Mutter aller Trendsportarten"

Jetzt, 1973, geht alles wahnwitzig schnell: Prade fährt ins niederländische Almelo zum Werk von TenCate, dem damals einzigen Hersteller von Surfbrettern in Europa. Kurz danach macht er vier Wochen Urlaub im spanischen San Sebastián: Er schwimmt durch die Brandung, bindet sein Brett mit einem langen Gummiseil an einem Ponton fest. So kann er auf dem wilden Atlantik trainieren, ohne abzutreiben. "Nach sechs Tagen beherrschte ich es perfekt. Das hat mir einen Riesenvorteil gebracht."

Etwa bei den ersten bayrischen Windsurf-Meisterschaften, die er kurz nach seiner Rückkehr problemlos gewinnt. Oder bei der ersten EM auf Sylt, bei der er gleich Zweiter wird. Ebenfalls 1973 eröffnet Prade die erste Surfschule am Starnberger See, kann sich vor Kunden kaum retten und schmeißt seinen Job als Grafikdesigner; stattdessen wird er schon bald Surfbretter designen, formen und mit seiner Firma Mistral hunderttausendfach verkaufen.

"So einen Senkrechtstart gab es in keinem anderen Sport", sagt Prade, für ihn ist Windsurfen "die Mutter aller Trendsportarten". Die Faszination hat den inzwischen 71-Jährigen bis heute nicht losgelassen: Beim Segeln, sagt er, fühle er sich als Teil einer Maschine. "Beim Surfen aber bin ich ganz Mensch, frei, aber unsicher auf einem wackeligen, kleinen Brett, mitten auf dem Blau des Meeres." Ein sehr unmittelbares Gefühl: "Es ist so, als ob du den Wind in den Händen hältst."

Das macht süchtig. Der Boom, der ab den Siebzigerjahren die Jugend in ganz Europa elektrisiert, hat seine Wurzeln in den USA: Am 21. Mai 1967 lässt Jim Drake, ein begnadeter Tüftler und Raumfahrtingenieur, den ersten Prototyp eines Windsurfers in der Bucht von Santa Monica zu Wasser. Kaum jemand nimmt davon Notiz.

Auch Drake ahnt nicht, welche Wucht seine Erfindung entwickeln würde, die er sich gemeinsam mit seinem Freund Hoyle Schweitzer patentieren ließ. Dass dieses kleine Kernstück der Konstruktion - der Mastfuß, auf dem ein frei bewegliches Segel gesetzt werden kann - einmal die Kraft haben würde, eine Millionenindustrie zu erschaffen und seinen Freund Schweitzer zu seinem erbitterten Feind machen würde.

Ulrich Stanciu steht 1974 zum ersten Mal auf einem Surfbrett und ist ebenfalls sofort ergriffen "von diesem Freiheitsgefühl". Stanciu testet damals für die Münchner Zeitung "AZ" regelmäßig die neusten Trendsportarten - Trickski, Drachenfliegen, Skateboarden, Fallschirmspringen - und fühlt damit den unruhigen Puls der deutschen Gesellschaft.

Auch bei den jungen Windsurfern spürt er, dass sich der Geist der 68er-Bewegung im Sport fortsetzt. An Badeseen kommt es zum Kulturkampf: "Die Segler wollten die Surfer aus dem Wasser verdrängen, weil sie freakige Klamotten trugen und ihnen den Platz wegnahmen", erzählt er. "Die Surfer wiederum wollten sich unbedingt abheben und von den starren Konventionen der Nachkriegszeit befreien. Ihr Lebensgefühl: 'Wir am Strand. Das Meer. Der See. Sonst nichts.'"

Junge Frauen surfen auf einem See 1974

Dieses Lebensgefühl vermittelt Stanciu als erster Chefredakteur des Magazins "Surf" zwölf Jahre lang perfekt - mit Fotos von rasenden Surfern über türkisblauem Meer. Ähnlich abenteuerlich ist sein eigener Aufstieg: Konrad Wilhelm Delius, Verleger der Zeitschriften "Yacht" und "boote", wirbt ihn 1976 an. Er wolle 1,5 Millionen in eine Windsurf-Zeitschrift investieren, eröffnet er dem verblüfften Stanciu, der schnell das Konzept "einer ganz neuen Zeitschrift" entwirft - geschrieben für ein Fachpublikum, aber fotolastiger und mit Reportagen wie im "Stern".

Schon 1978 darf Stanciu dazu auf seine erste Dienstreise nach Hawaii, wo sich dieser Sport schon immer neu erfunden hat. Er staunt über die neuen Bretter, mit denen die Profis über Wellenkämme fliegen und ist begeistert von den spektakulären Dias, die ihm ein lokaler Sportfotograf zeigt.

"So etwas hatte man in Europa noch nicht gesehen", erinnert er sich. "Die Bilder transportierten dieses Gefühl: 'Ja, genau das will ich jetzt machen!'" Der Fotograf lässt sich diesen Traum fürstlich bezahlen: 10.000 Mark für 120 Bilder, bar auf die Hand. Stanciu bettelt beim Verlag. Am Ende lohnt die Investition: "Als wir die ersten Bilder veröffentlichten, lösten sie einen Sturm der Begeisterung aus. Wir hatten ihnen ein Stück Hawaii an den heimischen Baggersee geholt."

Damit beginnt auch der Siegeszug des "Surf"-Magazins. Die Auflage schnellt von 15.000 auf 100.000 Anfang der Achtziger. Der Nischensport ist zur Volksbewegung geworden, mehr als eine halbe Million Deutsche sind aktiv. Die Surf-Verbände jubeln über "astronomische Zuwachsraten", während Umweltschützer die Surfer-Schwärme auf jedem Tümpel als Plage für verschreckte Brutvögel empfinden.

Immer mehr Deutsche interessieren sich nun auch für die Anfänge dieser Sportart. Und erfahren, wie sich die beiden Erfinder in diesem so lockeren Sport eine üble Schlammschlacht liefern. Über die Frage, wer das Surfen denn nun erfunden hat, gibt es bis heute Streit - und sehr unterschiedliche Versionen.

Die eine, die Ulrich Stanciu recherchiert hat, geht etwa so: Jim Drake zeichnet 1967 den ersten Windsurfer-Entwurf, lässt sich das Segel schneidern, laminiert den Gabelbaum in seiner Garage, entwirft den Mastfuß. Seinen Freund Hoyle Schweitzer macht er eher aus Nettigkeit zum Patent-Mitinhaber; Schweitzer hat gerade seinen Job verloren, Drakes Karriere hingegen geht nur nach oben. Als er von Kalifornien ins ferne Washington zieht, um für das Pentagon an einem Raketenabwehrsystem zu arbeiten, übernimmt Schweitzer die Geschäfte der gemeinsam gegründeten Firma "Windsurfing International" - und wittert seine Chance.

Schweitzer wandelt sich in dieser Situation "von einem engen Freund zu einem schikanösen Unternehmer" - so beklagt es zumindest die Familie des 2012 verstorbenen Drake bis heute. Demnach versucht Schweitzer, Drake aus dem Patent herauszudrängen und verheimlicht ihm, dass er schon erfolgreich mit einem Produzenten verhandelt hat. Als Drake entnervt nachgibt und für 30.000 Dollar seine Patentanteile an Schweitzer verkauft, weiß er angeblich nicht, dass sein Prototyp bald in Serie geht.

Schweitzer startet nun durch und vermarktet gekonnt den Sport, auch in Europa, wo er lange als Erfinder des Windsurfens gilt. "Im Laufe der Jahre hat er Schätzungen zufolge etwa 50 Millionen Dollar mit Lizenzgebühren eingenommen", sagt Stanciu.

Der Streit eskaliert, die Freunde sehen sich vor Gericht, wo Drake aber nicht nachweisen kann, dass er sein Patentteil unter falschen Voraussetzungen verkauft habe. Und so gibt es eine zweite Version der Geschichte, die Ernstfried Prade erzählt: Schweitzer ist demnach "integer" und "nicht der Bösewicht", zu dem ihn viele machten. Ein "echter Sportsmann", der das Surfen nicht nur kongenial vermarktete, sondern auch technisch weiterentwickelte.

Und dann gibt es noch eine dritte, fast salomonische Version: Nicht die Streithähne, sondern der Amerikaner Newman Darby ist der wahre Erfinder. Tatsächlich veröffentlicht Darby schon 1964 in der Zeitschrift "Popular Science" einen Entwurf für ein "Sailboard". Das Brett aber ist eine eckige Zimmertür, gezogen von einem Drachensegel. Darby versucht gar nicht erst, aus seiner kühnen Idee einen kommerziellen Sport zu machen.

Genau in der Kommerzialisierung, in der atemlosen technischen Weiterentwicklung des Surfens wurzelt am Ende sein Niedergang: Die Bretter werden in den Achtzigern immer kürzer, leichter, wendiger. "Funboards" heißen sie, und mit ihnen lässt sich spektakulär springen. "Alle Magazine druckten nur noch Bilder von Loopings in Wellen und wahnwitzigen Sprüngen in Hawaii. Das war ein Riesenfehler", sagt Prade. "Wer noch mit den alten Langbrettern surfte, wurde plötzlich wegdiskriminiert."

Windsurfen wandelt sich so zu einer hoch spezialisierten, teuren Randsportart, für die es nur an wenigen Orten der Welt perfekte Bedingungen gibt. Wer kein Adrenalinjunkie ist und einfach nur über den Chiemsee gleiten will, versteht seine alte Sportart nicht mehr. "1986 gab es noch 1,6 Millionen aktive Surfer", erinnert sich Prade bedauernd, "jetzt sind es vielleicht noch zehntausend."

Haben all die schönen Fotos, die auch das "Surf"-Magazin zeigte, den Sport kaputt gemacht? Stanciu zögert nicht: "Wir haben das sicher übertrieben und den Kontakt zur Basis verloren." Den Fehler wolle er nicht noch einmal machen, sagt Stanciu, der 1989 die Sportart wechselte und seitdem Mountainbiken als Herausgeber des "Bike"-Magazins populär macht.

Prade dagegen ist dem Windsurfen treu geblieben. Der Blick in die Vergangenheit macht ihn traurig, der riesige Erfolg des Stand-up-Paddelns aber tröstet etwas. Für ihn sei es der Beweis, dass die alte Kernidee des Windsurfens, das Gleiten über das Wasser, bis heute viele Menschen fasziniert.

Vom 25.5. bis 28.5. 2017 wird auf Fehmarn bei einem großen Surffestival  an den 50. Geburtstag des Windsurfens erinnert.

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Vorreiter: In Bremen gründete Jürgen Charchulla, hier auf Hawaii, Anfang der Siebzigerjahre einen der ersten Surfshops Europas, während sein Zwillingsbruder Manfred am Möhnesee schon sehr früh Regatten organisierte und Surfkurse anbot. Die als "Surftwins" bekannten rotbärtigen Pioniere des Sports sorgen bis heute als Stimmungskanonen auch abseits des Wassers für gute Laune - etwa wenn sie mit ihrer Band The Steeltwins auftreten. Die ganz große Windsurf-Welle traf die Bundesrepublik allerdings erst in den Achtzigerjahren - und machte das Nischenphänomen zum Volkssport.

In die Luft gehen: Der lange Bart ist gut erkennbar - einer der Charchulla-Zwillinge 1979 in Aktion. Das Springen wurde mit den kürzeren Windsurfbrettern, den Funboards, deutlich einfacher.

Bayrischer Meister und EM-Zweiter: Als das 1967 erfundene Windsurfen 1973 in der Bundesrepublik schlagartig populär wurde, sammelte Ernstfried Parde (Bild), einst ein passionierter Segler, gleich die ersten Titel ein. Er verdankt das seinem Talent, einem vierwöchigen Training in San Sebastián auf unruhiger Atlantik-Dünung - und seiner schlaksigen Statur: Denn anfangs gab es noch keine Gewichtsklassen; schwere und kräftige Sportler waren klar im Nachteil. Erst bei der WM 1974 wurden vier Gewichtsklassen eingeführt und trotzdem wurde noch ein wenig gemogelt: Wer an der Grenze lag, erzählt Prade, "trank vor dem Wiegen literweise Wasser, um in eine höhere Gewichtsklasse zu kommen". Vom 25.5. bis 28.5. 2017 wird auf Fehmarn  bei einem großen Surffestival  an den 50. Geburtstag des Windsurfens erinnert.

Trockenübung: Wer sich noch nicht sofort ins Wasser wagte, konnte bei Ernstfried Prades erster Surfschule am Starnberger See zunächst einmal im Trockenen trainieren - oder einfach zuschauen.

Eleganter Abgang: Surf-Pionier Ernstfried Prade 1973. Bei Unfällen brach er sich auch schon einmal Rippen, und doch blieb er der Sportart bis heute treu. Prade sieht die Zukunft im Wassersport zwar in der Hydrofoil-Technik, bei der unter dem Wasser liegende Tragflügel den Rumpf eines Gefährts über das Wasser heben - und so eine immens hohe Geschwindigkeit erzielt wird. Und doch liebt es der 71-Jährige nach wie vor, ganz ursprünglich mit seinem Windsurf-Brett über das Wasser zu sausen.

Skandaltitel: Das "surf"-Magazin erschien ab Mai 1977 und machte den Sport in Deutschland noch populärer. Die Auflage stieg von 15.000 auf bis zu 100.000 in den frühen Achtzigerjahren, während denen das Magazin auch diesen umstrittenen Nackt-Titel wagte. Erster Chefredakteur war der junge Journalist Ulrich Stanciu, der zusammen mit Peter Brockhaus das erste Buch zum Windsurfen verfasst hatte. 1976 war Stanciu von dem Verleger Konrad Wilhelm Delius angeworben worden. Delius, der auch die Titel "Yacht" und "boote" vertrieb, hatte ein Gespür für die Zugkraft des neuen Sports und investierte 1,5 Millionen Mark in das neue Heft, das zur erfolgreichsten Special Interest-Zeitschrift aufstieg.

...oder hier Prinz Edward, der jüngste Spross der britischen Königin Elisabeth. Auch...

...der junge Rudi Carrell (Foto von 1977) war von dem Surf-Virus Infiziert, das ab den frühen Siebzigern von den USA auch ganz Europa packte. Zu den prominenten Anhängern gehört auch TV-Kollege...

...Michael Schanze, hier eine Aufnahme von 1976. Auch der Fußball-Weltmeister...

...und Torhüter-Legende Sepp Maier vom FC Bayern München liebte den neuen Trendsport.

Surfen statt Alpenglühen: "Die Mutter aller Trendsportarten" breitete sich auch in der Schweiz aus, "wo sie immer attraktiver wird", so die Original-Bildbeschreibung der Fotoagentur aus dem Jahr 1979. Diese jungen Schweizerinnen trainieren auf dem Luganersee, wo kurz zuvor eine erste Surfschule eröffnet hatte. Auch...

...in Kanada war der Sport im selben Jahr äußerst populär.

Der Unbesiegbare: Bei rund acht Windstärken springt Windsurflegende Robby Naish 1999 beim World Cup vor Westerland auf der Nordseeinsel Sylt sechs bis sieben Meter hoch in die Luft. Naish hatte schon im Alter von elf Jahren mit dem Windsurfen begonnen, gewann mit 13 Jahren 1976 auf den Bahamas seine erste Weltmeisterschaft und dominierte...

...die Szene und Weltmeisterschaften über Jahrzehnte. Auch im Kite-Surfen, mit dem er erst spät begann, wurde er Weltmeister.

Windmaschine an! Erstmals wurde Windsurfen im Januar 1973 auf der Düsseldorfer Messe "boot" einem größeren Publikum vorgestellt. Geschickt ließ Surf-Pionier Calle Schmidt ab und an ein paar junge Damen im Hallenbecken der Messe ein paar Runden drehen - dafür wurde extra eine Windmaschine angeworfen. Ab und an stieg er auch selbst in Anzug und Krawatte aufs Brett. Die Messe war ein großer Erfolg für ihn: Insgesamt verkaufte er 300 Bretter.

Der Pionier: Der Sylter Calle Schmidt brachte im April 1972 die ersten zwei Surfbretter nach Deutschland. Schnell spürte er die Faszination des in Europa noch unbekannten Sportes und baute ein Händlernetz auf. Seine Ware bestellte er bei dem US-Amerikaner Hoyle Schweitzer, der das Patent an der Technologie besaß. Hergestellt wurden dessen hochwertige Bretter von Dupont. Für Europa aber übertrug Schweitzer die Produktionslizenz 1973 an die holländische Firma TenCate. "Die stellten anfangs Bretter von grauenvoller Qualität her", erinnert sich Schmidt. "Die hatten überall Dellen und fielen bei Hitze in sich zusammen wie eine alte Salatgurke." Vorreiter Schmidt wurde in der sich turbulent entwickelnden Windsurfing-Szene 1974 aus dem Markt gedrängt. Vier Jahre später gelang ihm mit dem kürzeren Fun-Board ein erfolgreiches Comeback.

Deutscher Surf-Star: Der Sylter Jürgen Hönscheid ist ein Surfer der ersten Stunde und einer der erfolgreichsten deutschen Vertreter dieser Sportart. Er wurde 1974 Vize-Weltmeister im Tandemsurfen, stellte mehrere Geschwindigkeitsrekorde auf und machte den Sport durch Bücher wie "Starkwind" und "Brandungssurfen" bekannt. Seit Ende der Achtziger lebt er mit seiner Familie auf Fuerteventura, wo er einen Surfshop betreibt. Seine Tochter Sonni ist mehrfache Deutsche Meisterin im Wellenreiten und Weltmeisterin im Stand-Up-Paddling.

Auf Rekordjagd: Als Erste wagten die Surf-Zwillinge eine Überquerung des Skagerrak. Nach 14 Stunden hatten sie die 122 Kilometer von Dänemark nach Südnorwegen zurückgelegt. Dagegen war die zuvor gelungene Überquerung des Ärmelkanals "ein Kinderspiel" gewesen, erinnert sich Jürgen Charchulla. "Alle fünf Minuten fielen wir ins Wasser." Endlich an Land bekamen sie von der norwegischen Polizei mächtig Ärger, weil sie ohne ihre Pässe eingereist waren.

Wer fährt hier wen? Riesige Surfbretter auf einem kleinen Citroen 2CV. Von einem "wahnwitzigen Hype" berichtet auch Surf-Pionier Prade in seiner Heimatstadt München. "Plötzlich wimmelte es vor jungen Männern, die in ihren Sportwagen mit Surfbrettern auf dem Dach stolz durch Schwabing kurvten."

Umstrittener Erfinder: Hoyle Schweitzer auf einer Aufnahme von 1975. Acht Jahre zuvor hatte er mit seinem Freund Jim Drake das Patent für den ersten Windsurfer eingereicht und mit ihm die Firma "Windsurfing International" gegründet. Später kaufte er Drake seinen Teil des Patents ab; ob er seinen Freund dabei betrog, indem er ihn etwa verheimlichte, dass er schon erfolgreich einen Produzenten für den Windsurf-Prototyp gefunden hatte, ist umstritten. Drake jedenfalls gilt als der technische Kopf der Erfindung, Schweitzer als geschickter Vermarkter des Sports, den er über einen Vertrag mit dem Hersteller TenCate auch in Europa populär machte.

Revolution am Reißbrett: Jim Drakes Zeichnung des ersten "Windsurfer" - so später der Name der ersten kommerziell gefertigten Bretter - von 1967. Zusammen mit seinem Freund Hoyle Schweitzer reichte der Luft- und Raumfahrt-Ingenieur aus Kalifornien das Patent 1967 ein. Kernstück der Konstruktion war der Mastfuß, auf dem ein frei bewegliches Segel, Rigg, gesetzt werden kann. Die beiden Erfinder zerstritten sich später über das Patent, das plötzlich Millionen wert war.

Gute Idee: Bis heute ist umstritten, wer genau das Windsurfen erfunden hat. Neben den Amerikanern Hoyle Schweitzer und Jim Drake wird dabei oft der Amerikaner Newman Darby genannt. Tatsächlich veröffentlicht Darby schon 1964 in der "Popular Science" einen Entwurf für ein "Sailboard". Das Brett aber war eine Zimmertür, gezogen von einem Drachensegel. Das Konzept wies technische Schwächen auf und Darby versuchte erst gar nicht, daraus einen kommerziellen Sport zu machen. Jim Drake hat später beteuert, dass er Darbys Skizze nicht kannte, als er drei Jahre später seinen später berühmten Windsurfer-Prototyp entwarf; nachzuweisen ist das natürlich nicht.

Am Anfang war das Longboard: Windsurfen in Deutschland 1975. In den ersten Jahren surfte man ausschließlich mit etwa vier Meter langen Brettern, die recht einfach zu beherrschen waren. Mit kürzeren und leichteren Brettern wurde Windsurfen zwar schneller und spektakulärer, aber auch anspruchsvoller. Zudem gibt es die perfekte Kombination aus Wind und Wellen für die kurzen Bretter nur an wenigen Spots weltweit. Als das Langbrett in den Achtzigern plötzlich als langweilig galt, schrumpfte Windsurfen langsam von einer Massenbewegung zu einer Nischensportart zurück.

Volle Kraft voraus: Junge Surferinnen im Jahr 1974. "So einen Senkrechtstart gab es in keinem anderen Sport", sagt Surf-Pionier Prade. In den Siebzigerjahren begeisterten sich bald Hunderttausende Deutsche für das "Brettsegeln", wie der Sport anfangs genannt wurde.

Wir brauchen mehr Bretter: Werkstatt im Französischen Calais Anfang der Siebzigerjahre. Anfangs dominierte die niederländische Firma TenCate den Markt, weil sie als einziger Hersteller die Lizenz des Patentträgers Hoyle Schweizter besaß. Später waren es auch Firmen wie Mistral, die hunderttausende Bretter verkauften. Daneben formten und designten sich viele Surf-Fans auch ihre eigenen Bretter. Das "surf"-Magazin gab Anfang der Achtzigerjahre Tricks zum Basteln von leichteren und kürzeren Brettern - und steigerte damit erfolgreich seine Auflage.

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